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Leipzig
Stasi-Museum
in der Runden Ecke
Oktober
2008
In
der ehemaligen Leipziger Stasi-Hauptzentrale befindet sich heute das
"Museum in der Runden
Ecke". Die historischen 1989er Montagsdemonstrationen, die
wesentlich zum Fall der Mauer
beigetragen haben, wagten sich Montag für Montag immer näher an das
scharf bewachte Gebäude heran, bis sich eine Delegation der Demonstranten
- aus der das Bürgerkomitee hervorgegangen ist - Zugang zu der
Stasi-Zentrale verschaffen konnte. 
Die Räume
wurden mit ihren PVC-Fußböden und den Scherengittern vor den Fenstern
weitgehend in dem damaligen Zustand belassen. Hier befinden sich heute
zahllose Dokumente, die unter dem Titel "Stasi - Macht und
Banalität" über Geschichte, Struktur und Arbeitsweise der
SED-Diktatur aufklären will.
  
Als
eine Abordnung der friedlichen Montagsdemonstranten die
Stasi-Hauptzentrale besetzte, fand sie im Keller zahlreiche so genannte
Geruchsspeicher vor: In Einmachgläsern aufbewahrte Stofffetzen, die man
beispielsweise bei Verhören auf den Stuhl des Verdächtigten gelegt
hatte, um den Angstschweiß des Betroffenen einzufangen.
Auch wurde in die Umkleidekabinen von
Fabriken eingedrungen,
um Kittel von Arbeiterinnen zu
entwenden. 
Bei späteren
Verdächtigungen sollten auf diese Weise mit Hilfe von Spürhunden
Zusammenhänge mit früheren vermeintlichen Straftaten hergestellt werden.
 
Ähnlich bizarr der Aufwand, der für so
genannte "konspirative Ermittlungen" betrieben wurde.
Verkleidung wurde hier sehr groß geschrieben.
 Die
Koffer "Bauarbeiter" oder "Araber"
bergen alles
notwendige Equipment, das ein Stasi-Mitarbeiter
benötigte, um für seine Ermittlungen - beispielsweise auf einem
Baugerüst - in die erforderliche Rolle zu schlüpfen.
Als Bewohnerin des ehemaligen Zonenrandgebietes verursachen mir diese
Bilder auch heute noch größtes Unbehagen:

Beim Überqueren der Zonengrenze - um
nach West-Berlin zu fahren oder in die DDR einzureisen - war man stets
diversen Schikanen ausgesetzt. Nachdem man seinen Reisepass an den
Grenzsoldaten zur Kontrolle abgegeben hatte, musste man warten und durfte
erst weiterfahren, bis aus dem Grenzhäuschen eine winkende Hand
erschien.

Nicht selten wurde man anschließend
beim Heranfahren aufgefordert, die Fahrspur zu wechseln, womit meist ein
Überqueren einer durchgezogenen Linie einherging. Damit hatte man gegen
die Straßenverkehrsordnung der DDR verstoßen, wodurch ein Bußgeld
fällig wurde, das sofort bar an den Zöllner zu entrichten war.
Derart eingeschüchtert, hielt man sich während der Fahrt über die
Transitstrecke strikt an alle Vorgaben und vermied tunlichst, gegen die
Gesetze des Transitverkehrs zu verstoßen, nämlich die vorgegebene
Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h zu überschreiten, während der
Fahrt anzuhalten oder gar die Transitstrecke zu verlassen.
Die Stasi, so ist im Museum in der Runden
Ecke zu erfahren, hat eine derart große Flut an Protokollen über
Banalitäten des Alltagslebens erstellt, dass sie immer mehr Mitarbeiter
einstellen musste, um diese Unmenge an Material überhaupt noch
bewältigen zu können. Zum Schluss hatte die Stasi 94.000 hauptamtliche
Mitarbeiter.
  
Es wurden alle Briefe in die und aus der BRD geöffnet und gelesen.
Es wurden alle Päckchen aus der BRD geöffnet. Befanden sich darin
Geldbeträge, wurden diese zunächst vollständig, später zu zwei
Dritteln entnommen. Audio-Cassetten waren ebenfalls begehrt: Nicht etwa
wegen der darauf befindlichen Musik, sondern, weil die Stasi sie für ihre
Abhöraktionen benötigte und entsprechende Beschaffungsprobleme hatte.
Im
Museum in der Runden Ecke ist auch eine Gefängniszelle ausgestellt,
allerdings befand sie sich nicht in diesem Gebäude, sondern in einem
Stasi-Bunker an anderer Stelle in Leipzig: 
Gegen vermeintliche Gegner des Regimes ging die Stasi mit der so genannten
"Zersetzung" vor: Die betreffenden Personen wurden solange mit
Ängsten und von außen herbeigeführten Krisen zermürbt, bis sie keine
Kraft mehr für ihre oppositionellen Tätigkeiten aufbrachten.
"Zersetzung" konnten Stasi-Offiziere sogar studieren: Am
"Lehrstuhl für Operative Psychologie" an der geheim gehaltenen
"Juristischen Hochschule" in Potsdam. Mit wissenschaftlichem
Abschluss.
Das Museum
in der Runden Ecke bietet täglich um 15 Uhr eine 70-minütige
Führung an, die sehr zu empfehlen ist.
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