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Leipzig
15. Dezember
2007
Bei schönstem
Sonnenschein und knallig blauem Himmel rolle ich in
komfortabler erster Klasse über Magdeburg, Köthen und Halle durch die
blühenden Landschaften Sachsen-Anhalts und Sachsens. Nach zwei angenehmen
Stunden erreiche ich Leipzig.
Großer Bahnhof
Als
ich aussteige, staune ich nicht schlecht: Ganz großer Bahnhof! Und zwar
im wahrsten Sinne des Wortes. Ich hatte es im Vorfeld meiner Reise nicht
mehr geschafft, mich über mein Reiseziel genauer zu erkundigen, und bin
daher erstaunt über einen Bahnhof, den ich in seiner Größe und
Schönheit so nicht erwartet habe, und der in mir erstmals die Frage
aufwirft: “Wie groß ist Leipzig eigentlich?” Danach werde ich meine
Fremdenführerin als erstes fragen.
Das
Wiedersehen mit G. ist sehr herzlich. Das letzte Mal hatten
wir uns vor einem Jahr auf dem Weihnachtsmarkt in Braunschweig getroffen,
jetzt hatte ich mich für einen Weihnachtsmarkt-Gegenbesuch angekündigt.
Sie klärt mich auf, dass Leipzig rund 500.000 Einwohner hat, also doppelt
so viele wie Braunschweig. Das hätte ich nie gedacht. Der Bahnhof ist
dafür um ein Vielfaches größer als unserer. Er ist, erfahre ich von G., der größte Kopfbahnhof Europas.
Der
Weihnachtsmarkt fängt direkt im Leipziger Hauptbahnhof an. Der
Bahnhof hat drei Ebenen, wir stehen auf der oberen und können nach unten
auf zahlreiche weihnachtlich geschmückte Buden und Stände gucken.
Auch von außen ist
der Bahnhof ein wunderschönes, imposantes und architektonisch
harmonisches Gebäude. Davon passt leider nur ein Bruchteil in meine neue
Mini-Kamera.
Hinter dem
Bahnhofsportal beginnt bereits die Innenstadt. Überall weihnachtliche
Buden.
Luna: "Ist das schon
der Weihnachtsmarkt?"
G.: "Nee, der kommt erst da hinten. Ist aber bestimmt voll!"
Luna: "Hm."
G: "Ich bin ja eigentlich nicht sooo ein Fan von
Weihnachtsmärkten …"
Luna: "Naja, so ein Geschiebe kann ich auch nicht ab …"
G.: "Ich auch nicht!"
Lotterwirtschaft
Nachdem das geklärt
ist, beschließen wir beschwingt, den Weihnachtsmarkt links liegen zu
lassen und stattdessen direkt zum Kulturprogramm überzugehen. G. weist mich
zunächst auf "Stadtgeschichtliches" hin (Foto -->).
Damit sie mich in die
"Leipziger Lotterwirtschaft" einführen kann, müssen wir doch
kurz den Weihnachtsmarkt streifen, denn am Rande des Marktes befindet sich
das Rathaus, um das sich eine Legende rankt: Der frühere Ratsbaumeister
Freiherr von Lotter hatte das Rathaus einst gebaut. Nur 115 Jahre später
musste es vollständig renoviert werden. Die Bürger waren über diese
Schlamperei derart entrüstet, dass sie den Begriff "Lotterwirtschaft"
prägten. Wir finden, an dem schiefen Fenster kann man die einstige
Lotterwirtschaft auch heute noch vorzüglich erkennen ...
Nikolaikirche
Dann besichtigen wir
die Nikolaikirche, von der aus vor der Wende die Montagsdemonstrationen
ausgegangen sind (die im übrigen in Braunschweig noch immer jeden Montag
stattfinden). Ich genieße das besondere Gefühl, mich an einem politisch
derart bedeutenden Ort zu befinden. Darüber hinaus ist die Kirche innen
auch noch sehr schön ausgestattet. Besonders die Säulen mit ihren
Palmenkapitellen, die gesamte Deckengestaltung und die Orgel sehen sehr
edel aus.

Da die Kirche mitten
im Zentrum steht und die gesamte Innenstadt von Leipzig offenbar aus
Weihnachtsmarkt besteht, bleibt es nicht aus, dass wir uns doch an dem
einen oder anderen Glühweinbeseelten vorbeidrängeln müssen.
Auerbachs Keller
Auerbachs
Keller, in dem sich Johann Wolfgang von Goethe zu Szenen für "Faust"
inspirieren ließ, gehört zu den fünf bekanntesten Lokalen der Welt und
liegt in einer der für Leipzig typischen überdachten Passagen, durch die
zwei Straßen miteinander verbunden werden. Am Eingang begrüßen uns Dr.
Faustus und Mephistopheles in Form von überlebensgroßen Bronzefiguren.
Als ich die steilen Treppen hinab in den Keller steige, habe ich doch
wahrhaftig das Gefühl, der Schatten von Geheimrat Goethe
hockt
mir im Genick, und wende mich um. Als ich wieder nach vorn blicke, steht
G. schon unten und hält Passanten die Tür auf.
Auerbachs Keller ist
auch heute noch ein Speiselokal. Im riesengroßen Saal herrscht
geschäftiges touristisches Treiben, und gleich am Eingang ist ein "Shop"
aufgebaut, in dem man Auerbachs-Keller-Devotionalien kaufen kann.
Wir
ziehen es vor, kehrt zu machen, und suchen eine gemütliche Pizzeria auf.
Von unserem Fensterplatz in der ersten Etage aus haben wir einen schönen
Blick auf einen hübschen, weihnachtlich beleuchteten Straßenzug in der
Innenstadt.
Geschnatter
Hier sind wir derart in
unser Geschnatter vertieft, dass wir nicht mitbekommen, was um uns herum geschieht. Zwar
nehmen wir nebenbei wahr, dass wir mittlerweile die einzigen Gäste sind.
Und wir stellen auch fest, dass die Kellnerinnen bereits seit Stunden
Tische und Stühle um uns herum hin- und herrücken. Auch kommt der für
uns zuständige Kellner sehr, sehr oft an unseren Tisch, um zu fragen, ob
wir noch etwas möchten. ("Jaha, zwei weitere Apfelschorlen bitte!")
Bedeutung messen wir
diesen ganzen Vorkommnissen aber erst dann bei, als sich eine Kellnerin
traut, uns direkt anzusprechen: "Entschuldigen Sie bitte vielmals! Aber
wir wussten ja nicht, dass Sie sooo lange bleiben! Dann hätten wir Sie
nämlich gebeten, im Erdgeschoss Platz zu nehmen. Denn hier oben findet
gleich im gesamten Saal eine Weihnachtsfeier statt, und die Gäste kommen
bereits in 10 Minuten!"
Als wir uns umsehen,
stellen wir fest, dass in der Zwischenzeit der ganze Saal festlich
dekoriert und die Tische zu Tafeln zusammengestellt und fein gedeckt
wurden - nur der unsrige steht noch vollgekrümelt und leergegessen
inmitten der feinen Tisch-Gesellschaft da.
Peinlich berührt
zahlen wir schnell und stiefeln die Treppen 'runter.
Wien in Leipzig
Es
steht noch etwas Kulturprogramm auf unserer Liste. G. führt
mich zu einer Geschichtsausstellung im zeitgeschichtlichen Forum. Um dahin zu kommen, müssen wir erstens ein weiteres Mal über
den Weihnachtsmarkt und kommen zweitens am Riquet vorbei. Das ist erstens
das Lieblingscafé von G.s Mutter und zweitens ein Kaffeehaus,
das an die Wiener Kaffeehaus-Tradition anknüpft und schon von außen
einen sehr gemütlichen Eindruck vermittelt. Laut G. ein
Geheimtipp für alle Wien-Liebhaber.
In der Ausstellung
angekommen, stellen wir fest, dass es hier nicht speziell um die Leipziger
Geschichte geht, sondern um den Themenkomplex "DDR - Stasi - Wende"
Genauer Titel der Ausstellung: "Teilung und Einheit - Diktatur und
Widerstand". Leider haben wir nur sehr wenig Zeit und können nur recht flüchtig an den Exponaten
vorbeihuschen.
Bis mich G. am Arm festhält und ruft: “Guck mal,
daa!”
Ein Original-Schild
von einem Bürgerbüro
Braunschweig-Magdeburg! Und im Wappen
der Löwe, das Wahrzeichen von Leipzig und Braunschweig!
Als ich meine Aufnahme
mache, stürzt eine Museumsmitarbeiterin auf mich zu und weist mich darauf
hin, dass Fotografieren strengstens
verboten sei. Nennt verschiedene Gründe wie "Leihgaben", "Urheberrecht",
"Lichtempfindlichkeit". Wir hauen schnell ab, und G. fragt: "Hast du das
Foto?".
Jetzt doch
Weihnachtsmarkt
Nach
diesem Schreck beschließen wir, jetzt doch - gegen unsere Überzeugung - dem
Weihnachtsmarkt noch offiziell einen Besuch abzustatten. Die
angebotenen Waren sehe ich mir als Weihnachtsmuffel nicht an, kann aber
berichten, dass es einen niedlichen Märchenpark mit
eingebauten Fehlern, die die Kinder finden sollen, gibt (wo ist auf
dem nebenstehenden Foto
der Fehler?), und dass - wie in Braunschweig auch - sich an den
Glühweinständen die längsten Schlangen bilden.
Nach dem zweiten
Glühwein haben wir beide zunächst leichte Schwierigkeiten, den nahe
gelegenen Bahnhof zu finden. G. fängt sich aber schnell wieder
und zeigt mir noch zwei ausgesprochen schöne, inzwischen nächtlich
herrlich beleuchtete Bauwerke und kulturelle Stätten: Die Oper und das
Gewandhaus.
Die
Oper
Gewandhaus mit schönem
Deckenfries
Und
noch einmal begegnet mir der Löwe: Dieses Mal auf einem Gullydeckel. Der
erinnert mich an einen kürzlich in der Süddeutschen Zeitung erschienenen
Artikel über Braunschweig, in dem hervorgehoben wurde, dass in
Braunschweig sogar die Gullydeckel das Stadtwappen tragen.
Nicht nur in
Braunschweig …
Fazit
Erstens: Für ein
Weihnachtsmarkttreffen, das kurzfristig in ein
Weihnachtsmarkt-Muffel-Treffen umgewandelt wurde, hatten wir ziemlich viel
Weihnachtsmarkt! ;-)
Zweitens:
Leipzig hat mich völlig überrascht! Ich hätte es mir - warum auch immer
- viel kleiner und provinzieller vorgestellt. Die Stadt hat sehr viel
herrliche Bürgerhäuser, die - soweit ich es aufgrund meines Kurzbesuches
beurteilen kann - zumindest in der Innenstadt zu einem großen Teil wieder
sehr schön herausgeputzt wurden. An vielen Stellen gibt es ein
interessantes Miteinander von alt und neu. Unzählige Straßencafés und
-restaurants vermitteln selbst im Dezember den Eindruck südländischen
Flairs.
Drittens: Das muss ich mir im Sommer noch mal genauer ansehen!
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