zurück
zur Übersicht Berlin
zurück
zur Übersicht Städte
Berlin:
Afrika, High-Heels und Sandskulpturen
11.
bis 13. August 2006
Als
ich mit 10 Minuten Verspätung auf dem neuen Berliner Hauptbahnhof
ankomme, drückt mir ein junger Mann ein Tetra-Pack in die Hand mit den
Worten: "Ein Kaltgetränk als Entschädigung für die Verspätung."
Verdutzt nehme ich die Packung entgegen, und gleichzeitig schießt mir
aufgrund der aktuellen Ereignisse durch den Kopf: Und wenn das Flüssigsprengstoff ist? Stopfe das Ding dann
aber doch in meinen Rucksack und stelle es später mit leicht gemischten
Gefühlen in das Regal in meinem Hotelzimmer.
Mein
Hotel! Ich liebe es mittlerweile, das Einchecken fühlt sich inzwischen an
wie nach Hause kommen. Es liegt in einem Berliner Schwulen-Viertel, und
ich bin jedes Mal amüsiert, wenn ich die Pärchen sehe: Denn mir war
vorher noch nie aufgefallen, „wie“ ähnlich sich jeweils die meisten
verbandelten Schwulen doch sehen - von gleicher Frisur über den Bartwuchs
bis hin zu den Klamotten.
Afrika!
Afrika!
Kaum
angekommen, muss ich schon wieder los, zurück zum Hauptbahnhof. Dort wird
in einer Zeltstadt das von André Heller inszenierte Zirkusereignis
Afrika! Afrika! aufgeführt. Als ich das Zelt betrete, kommt wieder einmal
das Expo-2000-Gefühl in mir auf: Die Dekorationen, die in schöne Gewänder
gehüllten, freundlich lächelnden afrikanischen Menschen und die wunderbare
Musik entführen den Besucher auf einen anderen Kontinent.
Die
Show ist fantastisch! Die rund 150 Artisten und die Musiker versprühen
eine riesige Lebensfreude und präsentieren ihre Darbietung mit unheimlich
viel Anmut, Charme und Stolz. Zwei Stunden lang ein Feuerwerk der
Artistik, zwei Stunden lang Begeisterung pur! Ausgesprochen fantasievoll
die vielen prächtigen, farbenfrohen Kostüme, und dazu die herrliche
afrikanische Musik mit den tollen Sängerinnen!
In
Berlin ist der Zirkus nur noch bis zum 2. September, danach geht’s nach
Düsseldorf. www.afrika-afrika.com.
Helmut
Newton
Am
nächsten Morgen weckt mich die Sonne, die direkt in mein Zimmer scheint.
Überall in Deutschland regnet es, aber der Himmel über Berlin ist blau.
Ich frühstücke bei klassischer Musik und mit Ausblick auf die wunderbar
verzierten Balkone des Gründerzeit-Bürgerhauses gegenüber.
Das
Helmut-Newton-Museum liegt etwas versteckt: auf der Rückseite des
Bahnhofs Zoo. Die Aufnahmen des kürzlich verstorbenen Fotografen kannte
ich bisher nur aus Zeitschriften und Katalogen – sie einmal derart
riesig vergrößert zu sehen, ist ein Erlebnis! Vier mehrere Meter große
Fotos Newton-typischer, starker, selbstbewusster, lediglich mit High-Heels
bekleideter Frauen hängen in der
Treppenaufgangshalle, so dass man sie von der Galerie im ersten Stock aus
betrachten kann.
Oben
findet man unter (vielem) anderem auch ausgesprochen schöne, erotische
und trotzdem nicht freizügige Aufnahmen von Caroline von Monaco. Sehr
interessant außerdem ein Film, der Newton bei der Arbeit zeigt. In dem
Film ist zu sehen, wie Aufnahmen entstanden sind, die gleichzeitig
ebenfalls in dem Museum zu sehen sind (The women who lives in in level 4).
Der Film macht auf spannende Weise deutlich, dass professionelles
Fotografieren außerordentlich viel mehr bedeutet als einfach nur "knipsen".
Nett
auch das Arbeitsmaterial. In Schaukästen wird ausgestellt, was Helmut
Newton so für seine Arbeit benötigte: High-Heels, Handschellen,
Revolver, Fesseln, falsche Brüste, falsche Nippel. Letztere kann man auch
sehr deutlich auf einigen Aufnahmen wiedererkennen. Alles Andere
natürlich auch.
Gaslaternenausstellung
im Tiergarten
Um die
grüne Lunge Berlins, den schönen Tiergarten, ausführlich zu erkunden,
würde ich wahrscheinlich einen halben Tag benötigen. Ich habe mir für
heute aber nur die Gaslaternenausstellung vorgenommen, ein Freilichtmuseum
mit rund 150 historischen Laternen aus ganz Deutschland. Ich weiß
allerdings gar nicht, wo genau die sich befindet, und marschiere halbwegs
orientierungslos in den großen Park. Und schon stehe ich vor einer
Laterne mit einem antikisierenden, blauen Schild mit der Aufschrift "Braunschweig".
Fremde zu Gast bei Freunden, kann ich da nur sagen!
Ganz
in der Nähe befindet sich das Hansaviertel, eine ehemals
großbürgerliche Wohngegend, die im Krieg fast vollständig zerstört und
danach als Mustersiedlung in Anlehnung an den Bauhausstil wieder aufgebaut
wurde und 1957 im Mittelpunkt der Internationalen Bauausstellung stand.
Das
von Walter Gropius errichtete Gebäude finde ich nicht mehr, denn ich muss
dringend zu den Hackeschen Höfen, wo eine Führung durch verschiedene
Hinterhöfe beginnt. Die fällt dann aber leider aus: Es haben sich nicht
genügend Interessenten eingefunden.
Flamenco
auf dem Pfefferberg
Im
Rahmen eines Flamenco-Festivals am Prenzlauer Berg tritt am Abend auf dem
Gelände einer ehemaligen Brauerei (Pfefferberg) "La Moneta" auf.
Musiker und Tänzerin sind erstklassig und reißen das Publikum von Anfang
an mit, es wird eine furiose andalusische Nacht. Das gesamte Festival
dauert insgesamt eine Woche und beinhaltet die unterschiedlichsten
Workshops, die auch viele Teilnehmer aus dem europäischen Ausland
angelockt haben, wodurch eine interessante, lebendige, internationale
Atmosphäre entsteht.
Sandskulpturen
Der
Sonntag ist regnerisch. Ich stecke den Schirm in meinen Rucksack und mache
mich mal wieder auf zum Hauptbahnhof. Hinter dem Afrika-Zirkuszelt gibt es
nämlich die Sandsation, eine Ausstellung von etwa 30
Sandskulpturen. Das Motto lautete "Ball". Die Aktion war offenbar im Zusammenhang mit der Fußball-WM ins
Leben gerufen worden. Einfach fantastisch, welch komplizierte und
filigrane Werke die Künstler aus der eigentlich flüchtigen Materie Sand
gezaubert haben.
Info-Tafeln geben darüber Auskunft, dass der Sand vor der Verarbeitung
kräftig gepresst wird und so als Rohlinge große Pyramiden entstehen, die
die Dichte eines weichen Steines aufweisen, und aus denen die Künstler
anschließend das Endprodukt herausarbeiten.
Nett die FAQs auf den Info-Tafeln:
Was, wenn es regnet?
>> Regen schadet nicht, im Gegenteil, Regen verdichtet das Material
sogar.
Was, wenn es hagelt?
>> Es hagelt nicht!
Potsdam
Ich setze mich in die S-Bahn Richtung Potsdam. Bereits nach einer halben
Stunde bin ich da. Leider habe ich nur zwei Stunden Zeit, die ich für die
Erkundung der Innenstadt nutze. Das ist ja ein äußerst pittoreskes,
hübsches Städtchen! Viele attraktive Bürgerhäuser aus der
Jahrhundertwende, sehr schmuck, sehr geputzt! Außerdem gibt es ein
Holländisches Viertel, das im 18. Jahrhundert in Erwartung holländischer
Einwanderer errichtet wurde und mich mit seinen Giebelhäusern
tatsächlich sehr an Amsterdam erinnert. Auch der Stadtkanal an der
Yorckstraße erinnert stark an eine holländische Gracht.
In der Lindenstraße Nr. 54 befindet sich das ziemlich gruselig anmutende,
finstere, vergitterte ehemalige Untersuchungsgefängnis der Stasi, worin
sich heute eine Gedenkstätte befindet. Die Besichtigung des Schlosses Sanssouci muss auf einen späteren
Termin verschoben werden, weil ich zurück zum
Bahnhof muss.
Ich verlasse die S-Bahn in Berlin kurz hinterm Brandenburger Tor und
marschiere - vorbei an der russischen Botschaft - auf der Straße
Unter den Linden bis zur von Schinkel errichteten Neuen Wache. Hier ist
der vereinbarte Treffpunkt für die Schinkel-Führung. Und hier erreicht
mich auch die sms, dass die Führung leider mangels Masse ausfallen muss.
Über meine Reaktion darauf decken wir besser den Mantel des Schweigens
.... Was hätte ich mir noch alles in Potsdam ansehen können! Na ja, dann
eben beim nächsten Mal.
Kurz vor dem Braunschweiger Hauptbahnhof wird im Zug durchgesagt, dass man
den Hinterausgang benutzen solle, die Halle sei wegen eines Bombenalarms
gesperrt. Nachdem ich ausgestiegen bin, erzählen mir Passanten, dass man
zwei mit Klebeband zusammengeklebte Red-Bull-Dosen gefunden habe, die
jetzt untersucht würden. Das wär's ja noch, denke ich mir: Ich überlebe
Berlin und fliege in Braunschweig in die Luft. Aber Red Bull verleiht ja
bekanntlich Flügel. Am nächsten Tag lese ich in der Zeitung, dass sich
jemand offenbar einen Scherz erlaubt hat. Sonderbare Zeiten
sind das ...
zurück
zur Übersicht Berlin
zurück
zur Übersicht Städte
|