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Luna turnt - Niedersächsisches Turnfest in Braunschweig

Pfingsten 2008

Eigentlich wollte ich nur einkaufen. Dann drückt mir eine Dame einen Stadtplan mit Laufkarte in die Hand und erklärt mir: “Wenn Sie zehn Stempel einsammeln, gibt es eine Goldmedaille, für acht Stempel bekommen Sie Silber, und für Bronze brauchen Sie vier Stempel.”

Turnfest bei KaiserwetterDie ganze Stadt ist gefüllt mit Turnvereinen, hauptsächlich Kindern. Bei allerschönstem Wetter wird in Braunschweig über Pfingsten das Niedersächsische Landesturnfest gefeiert. Überall in der Stadt wird an zahllosen Ständen Kindern und Erwachsenen die Möglichkeit geboten, sich sportlich zu betätigen und diverse Sportarten kennen zu lernen.

Mich packt der Ehrgeiz. Eine Bronzemedaille könnte ich ja durchaus einmal anstreben. Ich sehe an mir herunter: Bequeme Kleidung, flache Sandalen …. das passt schon mal. Ich erreiche die erste Station: Seilspringen. Das heißt jetzt Rope-Skipping, und ich werde definitiv nicht mitspringen. Jedenfalls nicht jetzt: Es sind gerade ausschließlich Kinder am Start, die mir höchstens bis zur Hüfte reichen. Und gleich nebenan ein mit schaulustigen Männern vollbesetztes Straßencafé.

Fangen wir doch besser mit Indoor-Cycling an. So wird inzwischen das Radeln auf dem Heimtrainer bezeichnet. Es stehen 40 Geräte davon bereit, und drauf sitzen - 39 Kinder. Aber Indoor-Cyclingegal, jetzt wird nicht weiter rumgezickt, sonst wird das heute nichts mehr mit der Medaille. Vorne steht ein Einpeitscher, der richtig Speed macht! Nach fetziger Musik von den Gipsy Kings sollen wir zunächst rhythmisch und zügig in die Pedale treten. Dann folgt eine Bergetappe, bei der die Fahrräder auf starken Widerstand eingestellt werden. Wir müssen abwechselnd im Stehen und im Sitzen fahren und uns in die Kurven legen. Nach 15 Minuten tropft mir der Schweiß von der Stirn, und mein Kreislauf steht kurz vor dem Kollaps. Aber ich habe meinen ersten Stempel.

Draußen habe ich zunächst die Wahl zwischen Eierlaufen und Badminton ohne Schläger. Bis Biathlonich Biathlon entdecke! Ich lege mich bäuchlings auf eine Matte und lasse mir das Lasergewehr erklären. Fünf schwarze Punkte muss ich abknallen, die bei erfolgtem Treffer grün werden. Peng, peng, peng, peng, peng: Fünf Treffer. Jetzt dasselbe noch mal im Stehen. Aber es ist mir unmöglich, Kimme und Korn ruhig zu halten! Nach drei verpatzten Schüssen nimmt mir der Helfer das Gewehr ab: “Sehen Sie, wie schwer das ist? Aber Sie bekommen Ihren Stempel trotzdem.” Der zweite Teil des Biathlons - das Laufen - fällt glücklicherweise aus. Ich hätte peinlicherweise einmal um ein Denkmal herumrennen müssen, aber dafür ist es inzwischen zu voll auf dem Platz.

Ich suche auf meiner Laufkarte nach weiteren Disziplinen mit möglichst geringem KrafttestPeinlichkeitsfaktor. Das Absingen des Turnfest-Liedes "Wir sind die Turn-Tiger" in einer historischen Straßenbahn kommt für mich nicht in Betracht. Aber da: Krafttest! Ich betreibe ja regelmäßig Kraftsport, daher werde ich bei dieser Übung hoffentlich eine anständige Figur abgeben. Ich lege mich auf eine Bank, über mir schwebt die Stange mit den Gewichten an beiden Enden. Ein kräftiger Mann hebt sie aus ihren Halterungen und gibt sie mir in die Hände, meine Arme sind gebeugt. Nun soll ich die Stange über meiner Brust nach oben drücken. Klappt! “Wollen Sie noch mehr Gewicht?”, fragt mich der Mann. Ich: “Klar!” Er schiebt zwei weitere Scheiben drauf, dann drücke ich die Stange erneut nach oben. Jetzt schwankt sie bedenklich über meiner Brust, und ich bin froh, als ich sie mit Unterstützung der kräftigen Männerarme wieder in ihre Halterung legen kann. Dritter Stempel.

Gleich nebenan wird Sport-Stacking angeboten. Ein aus den USA stammendes Spiel, das in Deutschland gerade erst als Sportart anerkannt wurde. Kleine Kinder stehen an Tischen und stapeln in Windeseile farbige Plastikbecher zu Pyramiden und lassen die Bauwerke genauso Sport-Stackingschnell wieder verschwinden. “Das koordiniert die beiden Gehirnhälften, genau wie beim Klavierspielen”, erklärt mir ein junger Mann. Die Abfolge, mit welcher Hand man welche Becher greift und stapelt, ist daher zunächst auch ungewohnt. “Jetzt rattert es in Ihrem Kopf”, meint der junge Mann, während ich mit der rechten Hand nach links und mit der linken Hand nach rechts greife. Aber vor allem rattert es deshalb, weil ich mir bewusst bin, dass ich gleich Bronze haben werde! Aber: Pech. Dies ist nur ein Info-Stand, den Stempel bekomme ich beim Turnier-Stand in der Stadthalle.

Da ich da aber sowieso hinmuss, um mir meine Medaille abzuholen, mache ich mich auf den Weg. Komme noch mal beim Seilspringen vorbei. Das Straßencafé ist immeRope-Skippingr noch voll, und es springen immer noch nur Kinder. Aber: Sie haben sich wegen der großen Hitze inzwischen in eine dunkle, schattige Ecke verzogen. Das ist akzeptabel. Ich reihe mich also artig in die Schlange der Wartenden ein.

Eine Übungsleiterin und ein Kind schwingen ein großes Seil, und wir Teilnehmer müssen ‘reinlaufen, 15 mal springen und wieder ‘rauslaufen. Je mehr ich in der Reihe nach vorn rücke, desto größer wird mein Lampenfieber. Vor mir dreht sich ein kleines Kind um, guckt zu mir hoch und sagt: “Eigentlich müssen Sie aber vorher noch 20 mal mit dem kurzen Seil springen!” - “Das mache ich dann anschließend”, verspreche ich. Dann renne ich los, verheddere mich nicht, und springe. Ist das anstrengend! Das kleine Kind, das das Seil für mich schwingt, guckt mich mit großen Augen ernst an. Wahrscheinlich bin ich lila im Gesicht. Während ich anschließend 20 mal mit dem Kurzseil Die Bronze-Medaillespringe, stehen alle Kinder um mich herum und gucken zu. Das ist mein moralisch am schwersten verdienter Stempel.

In der Stadthalle angekommen, hängt mir eine sehr nette Dame in Braunschweiger Tracht meine Medaille feierlich um und gratuliert mir, eine weitere Dame schießt ein Siegerfoto von mir. Und ich bin tatsächlich ein wenig stolz!

Derart festlich dekoriert gehe ich endlich einkaufen. Brot, Eier, Schinken ... und zwölf Stacking-Becher - denn die haben es mir irgendwie angetan …

 

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