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Kitesurf-Trophy auf Sylt

Juli 2008

WesterlandAls ich kurz nach meinem Eintreffen in Westerland einen ersten Blick in die örtliche Zeitung werfe, stelle ich fest, dass ich wohl länger nicht mehr auf dieser Insel gewesen sein muss. In fetter Schlagzeile steht dort: “Immer mehr Menschen ignorieren das Fütterverbot der Problemmöwen!”

Ich schaue in den Himmel. Über mir kreist eine Möwe und stößt ihren typischen Schrei aus, mit dem ich bislang eigentlich stets Problemmöwe heiteres Sommer-Sonne-Strandgefühl verbunden hatte. Ein erneuter Blick in die Zeitung belehrt mich eines Besseren: Die Möwe ist zum Problem geworden, der Tourist fühlt sich von ihrem Geschrei belästigt, Füttern kostet jetzt 1000 Euro.

Begleitet vom (Entschuldigung) heimeligen Geschrei der Problemmöwen suche ich meine Ferienwohnung auf, die sich in unmittelbarer Nähe zum Brandenburger Strand befindet, dem Ziel meiner Reise. Denn hier werden an diesem Wochenende die Kitesurf-Meisterschaften ausgetragen.Kiter am Abend

Bei Sturm und Regen statte ich am Abend dem Meer meinen ersten Besuch ab. In der Bar “Sundown Beach” krieche ich unter und bestelle eine hausgemachte Rindfleischsuppe mit Nudeln. Von hier aus genieße ich einen ebenso gemütlichen wie vorzüglichen Blick auf die Nordsee, auf der sich einige Kitesufer auf den morgen startenden Wettkampf vorbereiten.

Gute WettkampfbedingungenAm nächsten Mittag sehe ich bereits von weitem über der Düne zahlreiche Kites am Himmel stehen. Sie sehen aus wie überdimensionierte Lenkdrachen. Als ich zum Strand komme, ist der Wettkampf bereits in vollem Gange. Über 40 Kiterinnen und Kiter zwischen 16 und 25 Jahren kämpfen in drei verschiedenen Disziplinen um wertvolle Punkte für die Deutsche Meisterschaft, die während des Sommers an verschiedenen Orten ausgetragen wird.

Rasante SprüngeIch lege mich in den Sand und schaue fasziniert den rasanten Kitern nach, die an ihren Schirmen hängend mit bis zu 75 km/h über das Wasser jagen und zwischendurch faszinierende Sprünge, Drehungen und Salti zeigen, bei denen sie bis zu 10 Sekunden in der Luft bleiben.

Jeder Kiter hat heute beim “Best-Trick-Contest” 30 Minuten Zeit, um den Kampfrichtern seinen besten Sprung zu zeigen.  Teilweise befinden sich dabei mehr als 20 Kites am Himmel. Da sich die Kiter von der am Strand südlich gelegenen Startlinie auf dem Wasser erheblich Richtung Norden entfernen, ist es unerlässlich, irgendwann an Land zu surfen, das Board unter den Arm zu klemmen und das am Himmel stehende Kite wieder Richtung Süden zu bugsieren, um erneutSchlepperei zur Startlinie zu starten. Dies scheint eine sehr anstrengende Angelegenheit zu sein. Man sieht den Sportlern an, welche Kräfte sie aufbringen müssen, um die Kites gegen den Wind im Zaum zu halten, während sie unter dem anderen Arm das Board schleppen. Ist das Kite abgestürzt, schleppen es die Sportler ebenfalls unter dem Arm zum Start. Das Ganze unter Zeitdruck, da sie ja innerhalb der 30 Minuten möglichst viele ihrer Tricks präsentieren und daher möglichst oft starten möchten.

Bank am Grünen Kliff im KeitumAm nächsten Tag fällt es mir nur sehr schwer, mich von den Surfern loszureißen, um den geplanten Ausflug nach Keitum zu unternehmen. Aber geplant ist schließlich geplant! Bei strömendem Regen steige ich in Keitum aus dem Bus und begebe mich zunächst in Richtung Grünes Kliff. Wie unterschiedlich die Natur auf Sylt doch ist! Im Norden Wüste, im Westen wilde See und rasante Steilklippen, und hier im östlichen Keitum malerisches Grün am beschaulichen, windstillen Wattenmeer.

Reetdach-Haus in Keitum Keitum mit seinen reetgedeckten Häusern und hübschen baumbestandenen Straßen gilt ja als der “schönste Ort Sylts”, aber irgendwie kann ich heute nicht auf diese romantisch-brave friesische Vorzeigearchitektur. Außerdem habe ich - vom Grünen Kliff zurück gekehrt - völlig die Orientierung verloren und frage eine Passantin nach dem Ortskern. “Hm”, überlegt diese Dame. “Also … Bogner ist dort!” und zeigt in eine Richtung. “Dort werden Sie das Wichtigste finden.” Ich: “Ach so. Und wo ist die Bushaltestelle?” Sie zeigt in die entgegen gesetzte Richtung. Und die schlage ich ein.

Kites warten auf ihren EinsatzAm Brandenburger Strand in Westerland gelten ab heute strengere Regeln: Jeder hat nur noch 8 Minuten Zeit, um sich zu bewähren! Die Wettkämpfe erfolgen im K.O.-System. Das bedeutet: Möglichst wenig Zeit verlieren am Strand auf dem Weg zurück zur Ziellinie!

Kiter, die nach erfolgten Sprüngen auf den Wellen zurück an den Strand gerast sind, werden von ihren Trainern bereits erwartet und an Endspurt die Hand genommen. Gemeinsam rasen sie im Laufschritt zu Fuß zurück zur Startlinie, während der Trainer das Surfboard schleppt und der Kiter das Segel am Himmel in die gewünschte Richtung zerrt. Je enger eine Wettkampfentscheidung wird, desto dramatischer diese Szenen am Strand. Teilweise sind die Sportler inzwischen völlig ausgelaugt und kraftlos, werden nur noch von ihren Trainern zurück zum Start geschleift. Während sein Schützling sich von hier aus erneut in die wilden Fluten stürzt, rennt der Trainer schon wieder los, um diesen einige hundert Meter weiter im Norden an Land erneut in Empfang zu nehmen.

Kliffkieker in WenningstedtStrand WenningstedtMit hochgekrempelten Hosenbeinen unternehme ich am Abend einen Strandspaziergang in Richtung Wenningstedt, während sich das Meer langsam zurückzieht. Was mich dort erfreut: Das am Steilkliff gelegene Traditionslokal Kliffkieker, das seit 1923 einen erbitterten Kampf gegen den Sturm führt und immer wieder vor den Naturgewalten zurückweichen und Gebäudeteile abgeben musste, weil immer mehr Substanz des Kliffs abgetragen wurde, hat offenbar endlich Stabilität erreicht. Das Kliff scheint mit Hilfe des angepflanzten Strandhafers solide befestigt zu sein.

Mein persönlicher Favorit: Tim Kummerfeld (links)Auch am letzten Austragungstag wird noch erbittert gekämpft, bevor es am frühen Nachmittag zur Siegerehrung geht. Bei den Mädels hat in allen Disziplinen die bestehende Deutsche Meisterin Sabrina Lutz (Hamburg) die Nase vorn. Mein persönlicher Favorit - Tim Kummerfeld (Hamburg) - wurde beim Freestyle - also den Sprüngen - leider nur Vierter. Beim Racing konnte er jedoch Platz 2 erkämpfen. Als Titelverteidiger hat sich Mario Rodwald (Rendsburg) bewährt.

Ich freue mich schon auf die Meisterschaft 2009 und sage “tschüss” bis zum nächsten Mal!

 

 

 

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