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Thommie Bayer
April 2008, Braunschweig

“Die Schlüsse sind meine Achillesferse”, räumt Thommie Bayer während der Fragestunde ein, nachdem er aus seinem jüngsten Werk “Eine kurze Geschichte vom Glück” gelesen hat. “Die fallen mir auch meist erst gegen Ende des Romans ein, und sie stoßen meist nicht auf große Begeisterung. Oft sind es zu große Abstürze.”

Ich hatte Anfang der Neunzigerjahre einmal einen kurzen Briefwechsel mit Thommie Bayer - noch so ganz ohne PC und Internet, sondern zu Fuß auf der Schreibmaschine, die Fehler noch mit Tipp-Ex entfernt. Ich hatte einige Fragen zu seinem damals aktuellen Roman und zu weiteren Romanen von ihm, die ich vorher gelesen hatte, und zu der Schriftstellerei an sich. Er hat mir sehr nett und sehr persönlich geantwortet. Seitdem war ich selbstverständlich uneingeschränkter Thommie-Bayer-Fan. Einmal erlebte ich ihn sogar live während einer Lesung in einer Kneipe im hiesigen Studentenviertel. Ihn anzusprechen habe ich mich aber nicht getraut.

Mein Fan-Dasein verlor sich im Laufe der Jahre und wurde erst jetzt wieder reaktiviert, als ich mitbekam, dass er erneut in Braunschweig lesen würde.

Sehr seriös sieht er mittlerweile aus mit seinen kurzen, grauen Haaren und in seinem schicken Blazer. Und schüchtern soll er sein, verkündet die Sprecherin der Veranstaltung durchs Mikrophon. Man solle bloß viel fragen nachher, von selbst würde er nicht anfangen zu erzählen.

Thommie Bayer liest verschiedene Auszüge aus seiner Geschichte über einen unerwarteten Lottogewinn. Zu verdanken hat der Protagonist diesen Gewinn einem ungeliebten Kollegen, der wiederholt mit seinem perfektem Tipp-System herumgeprahlt hatte und seinen Schein eines Tages unbeaufsichtigt hat liegen lassen. Diese Gunst der Stunde nutzte der Protagonist, um den Schein mal schnell auf den Kopierer zu legen …

Liebe scheint auch in diesem Thommie-Bayer-Roman wieder eine zentrale Rolle zu spielen, und man kommt beim Zuhören der Leseproben nicht um den Eindruck herum, dass hier das Thema “Glück im Spiel - Pech in der Liebe” verarbeitet wurde. Zu intensiv und liebevoll erzählt die Hauptfigur von seiner Ehefrau, so dass man meint, am Horizont ein drohendes Unwetter aufziehen zu sehen …

“So, zuerst die Lehrer”, fordert der Autor augenzwinkernd die Zuschauer auf, ihm Fragen zu stellen, nachdem er das Buch zugeschlagen hat. “Die trauen sich immer zuerst! Na los!” Von wegen schüchtern …

Nachdem er alle intellektuellen Lehrerfragen mit Engelsgeduld beantwortet hat, kommen die bodenständigen Anfragen: Was ihm wichtiger sei - das Geld oder der Ruhm?

“Ich schreibe vor allem, um zu spüren, dass ich am Leben bin”, sagt der Autor, “und ich freue mich über jede E-Mail und über die Anerkennung der Leser.” Dass man davon natürlich nicht leben könne, sei auch klar, also sei es auch nicht schlecht, wenn sich seine Bücher gut verkauften. Und einmal von Elke Heidenreich besprochen und empfohlen zu werden - dagegen habe er auch nichts einzuwenden.

Für einen Roman benötigt er etwa sechs bis sieben Monate, und die Figuren stehen zu Beginn der Arbeit noch nicht fest - jedenfalls nicht für ihn: “Sie erlauben mir irgendwann während des Fortschreitens des Romans, dass ich sie erfinden darf.”

So richtig spannend finde ich die gelesenen Auszüge aus dem Roman nicht, jedenfalls nicht derart spannend, dass ich mir sofort das Buch kaufen werde. Wenn es mir zufällig in die Finger fallen sollte und ich anschließend zufällig einen vierzehntägigen Strandurlaub verbringen würde - dann wahrscheinlich.

Ja, mein Fan-Dasein hat offenbar wirklich gelitten in den letzten Jahren …

 

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