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Der Baader-Meinhof-Komplex

Ich fand den Film derart klasse, dass ich ihn zweimal hintereinander gesehen habe. Außerdem ist er so komplex, dass ich befürchtet habe, beim ersten Mal nicht alle Informationen mitbekommen zu haben.

Innerhalb von zweieinhalb Stunden werden zehn Jahre - 1967 bis 1977 - abgehandelt. Über einige Strecken des Films laufen Informationen und Handlungen zudem noch parallel.

Und ja: Es ist eindeutig ein Film, der Sympathien für die Personen weckt, die hinter der RAF standen. Die erste halbe Stunde wird dafür verwendet, Ulrike Meinhof, Andreas Baader und Gudrun Ensslin sowie ihre Mitstreiter als sympathische, auch humorvolle, engagierte junge Menschen zu zeigen, die für eine gerechte Sache kämpfen.

In mühevoller Fleißarbeit zeigt der Film im weiteren Verlauf mit viel Akribie auf, welche Motive die RAF dazu veranlassen, immer radikaler vorzugehen.

Am Anfang steht die friedliche Demonstration gegen den Schah-Besuch in Berlin, die von der Polizei brutal und blutig niedergeknüppelt wird. Wasserwerfer donnern ihre Salven direkt in den Zuschauerraum, so dass man panisch flüchten möchte. Diese beängstigenden Bilder enden mit der Ermordung von Benno Ohnesorg. Wenig später das Attentat auf Rudi Dutschke (einfach hervorragend gespielt von Sebastian Blomberg - allein schon ein Grund, in den Film zu gehen).

Die Mittel des politischen Gegners werden immer brutaler, und diese Brutalität gibt die RAF an ihre Gegner zurück. Ulrike Meinhof: "Die BRD ist nur eine Front von vielen. Wir kämpfen mit unseren Genossen auf der ganzen Welt gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung und gegen den Imperialismus der USA."

Zur Untermauerung der Motive werden - mit Hintergrundmusik "Child in Time" - die Erschießung des Vietcongs und die Flucht des nackten vietnamesischen Mädchens (die beide als Fotos um die Welt gingen) gezeigt, die Erschießung Martin Luther Kings, die Ermordung  Kennedys.

Hervorragend Bruno Ganz als BKA-Chef Horst Herold. Dieser wird als der Urvater der Rasterfahndung dargestellt, aber gleichzeitig als einer, der sinngemäß sagt: "Wir sollen den Terrorismus bekämpfen. Das heißt, wir müssen uns auch mit den Ursachen beschäftigen. Wir müssen in unserem Staat Verhältnisse abschaffen, die zu Terrorismus führen."

Als die führenden Köpfe der RAF im Knast saßen, hatten die Anschläge der zweiten und dritten Generation der RAF (Attentat auf die Botschaft in Stockholm, Entführung der Landshut) nicht mehr vornehmlich politische Motive, sondern sollten dazu dienen, die RAF-Mitglieder freizupressen.

Das letzte (gefühlte) Drittel des Films befasst sich mit der Situation im Knast, damit, wie die RAF auch von hier aus mit der Hilfe von Kassibern draußen die RAF-Geschicke weiter lenkten, während sie sich innerhalb von Stammheim immer mehr in ihre Ideen verstrickten und sich darin verloren, allen voran Ulrike Meinhof. Hier zeigt der Film anhand von Gerichtsverhandlungen, dass die Argumentationen von vor allem Ulrike Meinhof von Außenstehenden und auch den anderen RAF-Leuten nicht mehr nachvollzogen werden konnten oder wollten. Gleichzeitig schafft der Film es aber, darzustellen, dass man - wenn man es denn will - ihr durchaus auch hier noch folgen kann.

Der Film läuft durchaus Gefahr, sich den Vorwurf gefallen lassen zu müssen (wie ja auch bereits geschehen), er schüre Sympathien für Terroristen. Daher lässt man ganz am Schluss Brigitte Mohnhaupt zu Wort kommen, die gegenüber der dritten RAF-Generation mit der Helden-Verklärung aufräumt, Baader, Ensslin, Meinhof und Raspe seien im Knast ermordet worden: "Sie haben ihre Situation bis zum letzten Augenblick selbst bestimmt. Hört auf, sie so zu sehen, wie sie nicht waren!"

Ein hervorragender Film mit außerordentlich hervorragenden Schauspielern, eine perfekte Aufarbeitung eines Stücks Zeitgeschichte, die die Motive der Täter genau erklärt, aber nie entschuldigt. Ein Film, der sich unter die Haut frisst.

Homepage "Der Baader-Meinhof-Komplex"

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