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Granada
April 2004
Samstagabend, Plaza Nueva, Granada. Hier
bin ich mit Mamen verabredet, Vermieterin meines Apartments. Mit einer
halben Stunde Verspätung kommt sie, Küsschen links, Küsschen rechts,
rauscht mit mir in eine kleine enge Seitengasse, schließt die Tür eines
Wohnhauses auf, fährt mit mir in den sechsten Stock, erklärt mir alles
und verschwindet wieder mit den Worten: „Und vergiss bitte nicht, die
Pflanzen zu gießen!“
Der Blick von der Dachterrasse: Ein
Traum! Rechts wie eine Primadonna die Alhambra, geradeaus der Berg
Sacromonte mit den Höhlenwohnungen der Zigeuner und links der Hügel, auf
dem das alte maurische Viertel "Albaicín" angesiedelt ist. Der Himmel
wird langsam dunkel, die rote Alhambra erstrahlt im Scheinwerferlicht, das
Summen der turbulenten Plaza Nueva und die Gerüche der exotischen Speisen
aus den Bars unten rufen mir zu: Endlich angekommen!
Am Sonntag versuche ich, im Gassen- und
Treppengewirr des Albaicín den Weg zu meiner Sprachschule zu finden, an
der ich ab Montag Unterricht haben werde. Ich verirre mich hoffnungslos
zwischen Treppen, kleinsten Plätzen, schönen Häuschen mit Blumengärten
(so genannten "Carmen"), kleinen Kirchen, Mini-Läden, kleinen
Tapas-Bars und arabischen Teestuben. Und plötzlich stehe ich vor der
Schule.
Sprachschüler aus
der ganzen Welt
Montag. Die Atmosphäre in der Schule ist
einmalig, und die Lehrer verfügen über einen ausgesprochen hohen
Unterhaltungswert. Die Schüler kommen aus der ganzen Welt: Südafrika,
San Francisco, Australien, Mittelamerika, den USA und einigen
europäischen Ländern. Die Pause verbringen wir unter duftenden
Orangenbäumen in einem kleinen sonnendurchfluteten Garten, erzählen uns,
woher wir kommen und wohin wir wollen und verabreden uns für den Abend.
Der Flamencosänger und sein Gitarrist in
dieser winzigen Bar sind ein absoluter Hochgenuss! Dazu plaudern wir alle
spanisch miteinander – so gut es eben geht. Englisch wird nur im
absoluten Notfall eingesetzt. Das uns verbindende Element ist
schließlich, dass wir Spanisch lernen wollen. Wobei ich mit meiner einen
Woche Aufenthalt die große Ausnahme bin. Die durchschnittliche
Verweildauer der Leute dort beträgt rund vier Wochen, eine Deutsche ist
sogar elf Wochen dort – sie hat die Jahresurlaube vom letzten und von
diesem Jahr dafür eingesetzt.
Albaicín und
Sacromonte
Vom Aussichtspunkt St. Nicolas bietet
sich ein sensationeller Blick auf die Alhambra und über den Albaicín.
Ich setze mich auf eine Mauer und erledige die Hausaufgaben für den
nächsten Tag. Der Platz ist Treffpunkt für bunte Aussteiger,
Neo-Hippies, Spontan-Musiker und Kiffer. Einige bieten selbstgefertigten
Schmuck an, eine alte Spanierin versucht, Kastagnetten zu verkaufen. Da
ihr das ohnehin nicht gelingt, klappert sie kurzerhand bei der
Percussion-Improvisation einiger exotisch gekleideter Jugendlicher mit.
Von hier aus ist es nicht mehr weit bis
zum Sacromonte, dem Berg mit den auch heute noch aktuellen Höhlenwohnungen. Für mich die geheimnisvollste Ecke von Granada. Man
findet dort einerseits Höhlen mit einer vergitterten und mit einem
Schloss versehenen Tür davor, andererseits auch Höhlen, die inzwischen
schicke Vorbauten sowie Strom- und Wasseranschluss haben. Der Flamenco ist
hier entstanden und auch heute noch angesiedelt. Viele touristische
Flamencobühnen (tablaos) haben sich in diesen Höhlen etabliert.
Die ganze Stadt ist voller Musik. An
jeder Straßenecke hört man Flamenco oder arabische Klänge. Der alte
maurische Einfluss ist überall noch zu spüren. Morgens auf dem Weg zur
Schule steige ich die Caldedería hoch, wo die arabischen Händler ihre
Läden aufschließen und mich freundlich grüßen. Mittags, auf dem Weg
zurück, herrscht dort buntes Treiben. Farben, Gerüche, Musik und
dunkelbraune Augen mit langen seidigen Wimpern entführen mich in eine
Illusion aus tausendundeiner Nacht.
Flamenco
Am Abend sind wir auf einer privaten
Fiesta einer Flamenco-Lehrerin in eine Höhlenwohnung eingeladen. Sie
tanzt vor, begleitet von drei tollen Musikern, darunter ein sensationeller
Sänger. In der Pause gibt es Tapas und Sangría. Ich trinke zum ersten Mal
Sangría blanca, ein exotisch anmutendes Getränk aus Weißwein,
irgendeinem Likör und vielen hellen tropischen Früchten. Wir steigen auf
das Dach der Wohnung, und unter uns liegt das Lichtermeer Granadas. "Wow!",
sagt einer aus San Francisco, "it’s like San Francisco!"
Die Pause ist vorbei.
"Wer kann
Sevillanas tanzen?", fragt die Flamenco-Lehrerin. Außer mir melden sich
noch ein japanisch aussehender junger Mann aus Australien und eine
Französin. Während wir zusammen Flamenco tanzen, beschließe ich: "Ich
komme wieder! Und zwar für länger!"
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